Von der Gnotschaft Schönau zur Gemeinde Schönau a. Königssee

Die Hochgebirgslandschaft von Berchtesgaden bildete von Natur aus die Voraussetzung der Abgeschlossenheit gegenüber den Nachbarregionen. Es fehlten die weiten Täler, die zu einer intensiven Siedlungswelle einladen konnten. Rodung und Besiedelung setzten deshalb vom 11.-13. Jahrhundert relativ spät ein und erfolgten nicht allzu dicht. Dadurch fehlten größere Siedlungen, wie Dörfer. Es herrschte der Einzelhof vor. Das sich anbietende Einzugsgebiet für Siedlung, Rodung und Erschließung war flußaufwärts das Tal der Berchtesgadener Ache. Dies wird durch die Tatsache untermauert, daß das im Gründungsgebiet genannte Waldgebiet von Berchtesgaden zum grundherrschaftlichen Herrenhof Grafengaden (St. Leonhard b. Grödig) gehörte. Die Siedler, Mönche aus dem Regularkanoniker-Kloster Raitenbuch (Rottenbuch) scheiterten 1102 - 1106 offenbar an der Unwirtlichkeit der Gegend, am Fehlen wirtschaftlicher, materieller Voraussetzungen und an der mangelnden Erfahrung für ein derartiges Siedlungswerk in dieser Berchtesgadener Hochgebirgswildnis. Durch den Wegzug der Kanoniker um 1107 ins Voralpenland nach Baumburg war die Berchtesgadener Klostergründung über eine kleine Zelle noch nicht hinausgekommen.

Ein zweiter Versuch um 1116/17 gelang vor allem deshalb, weil Graf Berengar von Sulzbach und andere Adelige Güter im agrarisch ergiebigeren Lande vor dem Gebirgeschenkten, die lebensnotwendiges Getreide lieferten und sicherlich auf Leute für die harte und zeitaufwendige Rodung stellten.

Daß die Gründung der Regular-Kanoniker keineswegs in einem menschenleeren Waldgebiet erfolgte, geht ungeachtet

Übertreibungen in der Gründungsgeschichte aus dem Traditionsbuch von Berchtesgaden und dem Wortlaut des Privilegs von Papst Paschal 11. eindeutig hervor (»villa« bedeutet die Existenz einer bereits vorhandenen dörflichen Siedlung). Um den Rodungssiedlern eine Lebensgrundlage zum Beginn eines erfolgversprechenden Wirtschaftens zu geben, betrieb die Grundherrschaft in Grafengaden aller Wahrscheinlichkeit nach eine umfangreiche Viehzucht und Weidewirtschaft, um zunächst als »Starthilfe« jeden Siedler mit einigen Rindern auszustatten. Dafür hatten die Kolonisten einen Käsedienst (Abgabe an die Grundherrschaft) von 300 Stück Käse jährlich zu leisten.

Die Rodungssiedler kamen nach dem bisherigen Forschungsstand aus dem Salzach- und Saalachtal, aus dem Pinzgau und sicherlich auch aus dem Chiemgau. die Durchführung und Organisation der Rodungsarbeit lag in den Händen der Herrschaft, d.h. dem Kloster von Berchtesgaden. Die Möglichkeit dazu schuf das Forstprivileg Kaiser Friedrich 11. Barbarossa, der die bereits jahrelang betriebene Brandrodung 1156 legitimierte. Die Bezeichnung "Lehen" für das einzelne Bauerngut drückt aus, das Grund und Boden samt den darauf errichteten Baulichkeiten das Leihegutdes Grundherrn (Klosters) war, der eine Verfügungsgewalt darüber sich vorbehielt. Das auf eine Art Pachtverhältnis abgezielte Leihen = Lehen schuf ein rechtmäßiges Verhältnis, das beide Partner an die Vertragsbestimmungen band. Die Lehen wurden als Vieh- und Schwaighöfe,abgelegt, bei üblicher Abgabenfreiheit für die ersten Jahre.

 

Grund und Boden gehörten ursprünglich dem Kloster: Lehen

Die zu leistenden Dienste (Zinsabgaben an das Kloster) wurden nicht nach der genutzten Fläche, sondern nach dem gefütterten und aufgetriebenen Vieh berechnet. Die "Lehen" hatten in der Regel die Größe von Ganzen, Viertel- oder Halbhufen. Eine ganze Hufe bedeutete einen Grundbesitz mit einer Größe, die von einer Familie bearbeitet werden konnte und deren Ertrag zu ihrer Ernährung reichte, d. h. etwa 7-15 ha. Besteuert wurden die Höfe mit allem Zubehör also nach ihrer Größe als ganzer, halber oder viertel Hof. Nach Koch-Sternfeld teilte sich der landwirtschaftliche Besitz in Schönau (mit Königssee) vor 1808 wie folgt:

Ganze Höfe 91
Halbe Höfe 63
Viertel Höfe 4
insgesamt 159

Im Lehen inbegriffen war das Talgut, die dazugehörigen Stallungen, die Grundstücke um den Hof, die zur Heugewinnung und zur Anlage kleinerer Äcker und Felder verwendet wurden, die Waldweide, der Holzbezug aus den nächstgelegenen Wäldern und die Almweide. Die angesiedelten Neubauern zinsten vom 12.-15. Jahrhundert dafür Käse, Vieh, Hühner, Flachs und Loden. Danach wurden die Käsedienste in fixierte Geldabgaben umgewandelt.

Das Kloster Berchtesgaden war einziger Grundherr, der anfänglich seinen leibeigenen Kolonisten Grund und Boden auf Baumannsrecht (= auf 1 Jahr), Freistift (= auf eine bestimmte Zahl von Jahren) oder auf Leibgeding (= auf Lebenszeit) verlieh. Nach Ablauf dieser unterschiedlichen Pachtzeiten konnte das Augustiner Chorherrenstift mit seinem "Lehen" wieder nach Willkür verfügen, d.h. das Gut konnte eingezogen und an einen anderen Bauern verliehen werden.

Da bei uns die Landwirtschaft keinen hohen Gewinn erbrachte, wurden die Bauern zusehends unzufriedener und ärmer.

Dies führte dazu, daß man von seiten des Chorherrenstiftes dem unruhigen und aufmuckenden Bauernstande, später "Landschaft" genannt, ähnlich wie den Einwohnern der beiden Märkte Berchtesgaden und Schellenberg, ebenfalls besondere Rechte zugestand. Im "Landbrief von "1377" wurden daher die Lehen an die leibeigenen Untertanen zu "Erbrecht " verkauft. Die neuen Erbhofbesitzer mußten aber versprechen, weiterhin Abgaben (Käse, Hühner) an das Stift zu entrichten, die Wachtdienste auf den Türmen in Hallthurm und Schellenberg und am Gehag (Landesgrenze) an 5 Tagen im Jahr zu verrichten und bei erforderlicher Landesverteidigung im Harnisch (mit Eisenhaube, Spieß, Armbrust, Brustpanzer und dgl.) zu erscheinen. Zudem blieben die Untertanen für ihre Person weiterhin Leibeigene: die ganze Leibeigenschaft bestand aber nur darin, daß niemand ohne Bewilligung des Stiftes heiraten und noch weniger außer Land ziehen durfte. Erst vom Jahre 1217 an durften sich die Berchtesgadener mit den Untertanen der Salzburger Klöster Nonnberg und St. Peter ohne Erlaubnis verheiraten, von 1236 an auch mit den Untertanen des Domkapitels Salzburg. In der Zeit zwischen 1385 und 1600 erwarben 525 Berchtesgadener Bauern das Erbrecht.

Dieser "Landbrief" brachte viele Vorteile: Die Bauern, zwar weiterhin Leibeigene, waren nun zum Haus- und Grundeigentümer geworden und bearbeiteten in Zukunft mit mehr Liebe und erhöhtem Fleiße ihre Wiesen und Felder und wurden neu motiviert, noch unwirtliches und waldiges Gelände der Landwirtschaft nutzbar zu machen. Dies führte zur letzten großen Rodungsepoche im Berchtegadener Land. Außerdem konnten jetzt viele ehemals ganze Lehen geteilt und in Vorder-, Hinter-, Ober-, Unter- und Mitter ... lehen getrennt und zerstückelt werden. Die wiederholte Teilung der Güter führte andererseits dazu, daß häufig die zu klein gewordenen Halben oder Viertellehen eine Familie nicht mehr zu ernähren vermochten.